Der Grundakkord der Komödie

Nahezu jeder Witz verdankt seine Pointe dem plötzlichen Aufscheinen des Missverständnisses, dem Umschlagen vom Erwarteten ins Unerwartete, der Lösung der Spannung, die die Ausgestaltung des Einfalls in Einleitung und Ausmalung - sei es ein kurzer oder langer Text – so lange aufbaut, bis der Zuhörer reif ist, um mit der überraschenden Wendung konfrontiert zu werden.

Dauert ein Witz bestenfalls wenige Sekunden, so baut sich die Komödie langsam und genussreich für den Zuschauer auf. Wie nahezu jeder Witz, so speisen auch die meisten Komödien sich aus diesem Aufscheinen des Überraschenden, dessen, was die Figuren auf der Bühne ebenso wie die Menschen im Publikum nun wirklich nicht erwartet haben. Die Kunst des Autors besteht gerade darin, Erwartungen aufzubauen, die in die ganz falsche Richtung laufen, – andere als die endgültige Handlungsentwicklung anzukündigen, Personenidentitäten zu verschleiern, die Beteiligten auf Bühne und im Saal rätseln zu lassen, wo man ist und wohin man noch geraten wird.

Wer ist wer? Und wo sind wir?

Ein beliebtes Motiv ist dabei das der Personenverwechslung: Eines der bekanntesten Beispiele aus der Tradition des weltweiten Theaters ist Gogols Revisor, der das Verwechsel-Spiel sogar verdoppelt: Beide Protagonisten verwechseln jeweils den Gegenspieler, halten ihn für einen jeweils anderen, bis am Ende die Auflösung des Knotens in der berühmten „Stummen Szene“ endet – alle Gefoppten sollen nach Anweisung des Autors eine ganze Minute bewegungs- und sprachlos auf der Bühne stehen, die Gesichter in den blödesten Fratzen eingefroren.

Eine interessante Variante dieses Verwechslungsmotivs ist die Täuschung der Protagonisten (und damit des Publikums) über die wahre Identität des Schauplatzes der Handlung. Der Ort des Geschehens erweist sich am Ende als das Gegenteil dessen, wo man sich zu sein wähnte.

Der Schweizer Dramatiker Friedrich Dürrenmatt liebte dieses Spiel; ihm war es Spiegel fundamentaler Täuschungen, denen der Mensch erliegt, der gewohnt ist, die Wirklichkeit – damit sie überschaubar erscheine und bleibe – mit vertrauten Kategorien zu sortieren. In seinem weltberühmten Stück „Die Physiker“ demonstriert er seine Meisterschaft, um am Ende dieser bitteren Komödie seine apokalyptische Sicht aufscheinen zu lassen. Das Sanatorium für Verrückte, in das er seine Zuschauer führt, ist am Ende der Hort der Vernunft, und die Welt, dieser scheinbar so rationale Ort, entpuppt sich als das eigentliche Irrenhaus.

Eben darin liegt für Dürrenmatt der wahre Sinn der Komödie: Sie ist Zeugnis einer fundamentalen „Ver-Rückung“, an deren Ende man sich mit einer Figur aus den „Physikern“ zu fragen hat: „Bin ich eigentlich verrückt?“

Der Meister des Lustspiels

Curt Goetz (1888 – 1960) hingegen ist im Vergleich dazu doch mehr der klassische Lustspieldichter; seine Spitzen, sein Wortwitz, sein Humor und seine glänzenden Einfälle führen nicht in eine verkehrte Welt eines Lachens, das am Ende dem Zuschauer im Halse stecken bleibt. Goetz’ Figuren bleiben in einem Kosmos der Komik, führen nicht ins Chaos eines annihilierenden Verlachens, das man aus der Geschichte des deutschen Theaters und der deutschen Erzählliteratur durchaus kennt. Goetz’ Narren sind komische Gestalten, deren Macken, Schrullen, liebenswerte Schwächen und Stärken nichts sprengen oder zum Einsturz bringen, gleichwohl aber zum Vergnügen des Zuschauenden prachtvolle Schwänke aus ihren Leben erzählen.

So ist es mit zahlreichen Helden aus der Feder Goetz’, der als gelernter Schauspieler begann, sich bald aber auch als Autor einen Namen machte. „Ich halle an der Saale, du hallst an der Saale…“ ist eines seiner noch heute bekannten Wortspiele. Und er war ein sehr versierter Regisseur seiner eigenen Stücke im Film, so neben dem „Haus in Montevideo“ vor allem in „Hokuspokus“ (mit Erich Ponto) und „Frauenarzt Dr. Hiob Prätorius“ (ebenfalls mit Ponto u. a. bekannten Darstellern).

Leider sind vielen heutigen Fernsehzuschauern diese Originale zugunsten der späteren (gleichwohl auch prächtigen) Verfilmungen mit Heinz Rühmann eher unbekannt.

„Traugotts Versuchung“

Und welch Paraderolle war der Professor Traugott Hermann Nägler für seinen Schöpfer Goetz:

Sittenstrenger preußischer Oberlehrer, der seinen pädagogischen Leidenschaften auch im Kreis seiner großen Familie noch frönt: Selbst beim Mittagessen examiniert er seine braven Kinder – die fast allesamt Namen aus der deutschen Mythologie bzw. Wagner-Opern tragen – im Lateinischen und Französischen. Ja selbst Marianne, seine Ehefrau, muss Fragen nach den französischen Präpositionen über sich ergehen lassen. Und nun kommt der Brief aus Montevideo – eine Erbschaft winkt, die jedoch vor Ort angetreten werden muss. Aber da erwarten den Professor und seine Entourage große Überraschungen: Wenn das alles stimmt, was ihnen so eigenartig erscheint, na dann „Prost Mahlzeit“.