Chronik

Für die Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Gymnasiums Großburgwedel im Herbst 1997 verfaßte nach umfangreichen Recherchen die damalige Schülerin Marie-Luise Leonhardt eine kurze Chronik der Theatergruppen an dieser Schule. Die Autorin war selbst lange Jahre Mitglied in der Theater-AG (Der Idiot 1995, Pension Schöller 1996, Scrooge 1996, Faust I 1997).

50 Jahre Gymnasium - 40 Jahre Theater-AG

Die lange Tradition des Schauspielens an unserer Schule ist immer wieder durch Zusammenarbeit mit anderen Gruppen gekennzeichnet. Sie alle hier aufzuführen ist im Rahmen dieses Artikels leider nicht möglich, doch möchte ich anfangs noch die Arbeit der Film-AG erwähnen. Sie hat jahrelang unter der Leitung von Herrn Dr. Niemandt Szenen und Ausschnitte aus Theaterstücken einstudiert, gespielt und gefIlmt. Dabei hat sie eine beachtenswerte Aktivität entfaltet.

Die Theater-AG hat an unserer Schule eine lange Tradition, auch wenn sie nicht immer als solche und nur mit Pausen existiert hat. Der Beginn der Arbeit der Laienspielgruppe war 1957 unter der Leitung von Herrn Dr. Lütge, der sie schon 1958 an Herrn Dr. Arendt abgegeben hat. Gespielt wurden Lustspiele von Tschechow, Gogol und Frey, die mehr für die Oberstufe bestimmt waren. In der Mittelstufe fanden Theaterspiele eher innerhalb der Klassengemeinschaft statt.

Ab 1960 übernahm Herr Garbe die Leitung der Theater-AG für 15 Jahre (allerdings mit einer kleinen Pause dazwischen). In diese Zeit fiel ein Methodenwechsel vom mehr intuitiven Spiel zu den Zielen und Prinzipien der Drameninterpretation, denn Herr Garbe wollte die Stücke möglichst so inzenieren wie der Dichter selbst es auch getan hätte. 1960 wurden hauptsächlich mit Schülern der Klasse 10 Ausschnitte aus "Maria Stuart" von Schiller anläßlich eines Schulfestes aufgeführt. 1961 folgten dann "Die deutschen Kleinstädter", ein Lustpiel von A. von Kotzebue mit den Klassen 11-13. Hiermit trat noch ein anderer Lehrer in den Dienst der AG Laienspiel: Herr Lackner übernahm die Gestaltung des Bühnenbildes und die Beleuchtung. Die sehr wichtige Frage der Kostüme wurde in der Gruppe auf eine ungewöhnliche Art und Weise gelöst: Sie wurden nicht selbst genäht oder aus vorhandenen Kleidungsstücken zuammengestellt, sondern Herr Garbe stellte einen Kontakt zu dem Hannoverschen Landestheater her, das die AG mit professionellen Kostümen unterstützen konnte.

Im November 1962 wurde der "Urfaust" von Goethe gespielt. Bei den Proben diskutierte die Gruppe auch noch, im Gegensatz zu heute, über andere Interpretationsansätze. Zu dieser Zeit war die Laienspiel-AG noch mit ursprünglich zwei Wochenstunden angesetzt, doch wurde dieser zeitliche Rahmen schnell gesprengt. Im November 1963 fiihrte sie das Stück "Ein Engel kommt nach Babyion" von Dürrenmatt auf.

Das Lustspiel "Mirandolina" von Carlo Goldoni vom November 1964 wird von Herrn Garbe selbst als das schönste empfunden. Es kann als gutes Beispiel dafür gelten, wie weite Kreise eine Theater-AG wirklich zieht und welcher Arbeitsaufwand nicht nur von dem Regisseur und den Schauspielern darin steckt. Bei dieser Aufführung wirkte Dagmar Tass mit, die Tochter des Komponisten Eric Tass, der dann die musikalische Gestaltung übernahm. Auch in der Schülerschaft zog diese Inszenierung starkes Interesse auf sich, so daß sogar einige zusätzliche Vorstellungen angesetzt wurden, um der Nachfrage gerecht werden zu können. Einige Aufführungen wurden wegen Platzmangels sogar auf einer improvisierten Bühne im Physikraum gezeigt.

Ein Jahr später -im November 1965 -erarbeitete die AG ein weiteres Werk von Goethe: "Iphigenie auf Tauris". Auch dieses Lustspiel zeigte den Kritikern, die sich bei der Auswahl der Werke nicht zum ersten Mal in der Geschichte der Laienspielgruppe meldeten, daß es Schülern möglich ist, mit Begeisterung und viel Einfühlungsvermögen einen derart anspruchsvollen Theaterabend auf die Beine zu stellen.

Einen Monat später zeigte die Marionetten-AG ihr erstes Werk auf einer selbstentworfenen Bühne mit ebensolchem Bühnenbild, für das sich wieder Herr Lackner verantwortlich zeigte.Die Puppen waren mit viel Liebe zum Detail selbstgearbeitet. Insgesamt standen die Aufführungen "Undine" und "Kasperle als Weih- nachtsmann" unter der Leitung von Herrn Hübner.

Im Rahmen einiger Festtage im Oktober 1966 zeigte die Laienspielgruppe diesmal "Jedermann" von Hugo von Hoffmannsthal. Die heutige Aula existierte noch nicht, und so wurden die Theateraufführungen meistens in der Pausenhalle auf einer kleinen Bühne gezeigt. Bei diesem Theaterabend war in der kleinen Halle jedoch kein normales Podium aufgebaut worden, sondern eine mittelalterliche Simultanbühne mit mehreren Schauplätzen, was dem Charakter des Stückes sehr gut entsprach.

Beim Studieren der alten Programme kommen einem heutigen Schüler sogar die einen oder anderen Namen bekannt vor. So findet man zum Beispiel den Mathe- und Physiklehrer Peter Fricke als damaligen Schüler, der in der Laienspielgruppe mitgewirkt hat. Im folgenden Stück "Die Sklavin ihres Geliebten" vom Juni 1967 spielte er dann sogar mit Don Juan den Liebhaber seiner späteren Frau, mit der er sich heimlich trifft. Aber erst noch einmal zurück in den Dezember 1966, in dem die Marionetten-AG wieder zwei Stücke aufgeführt hat: "Das hält nicht mal der Teufel aus" und "Kasper Weihnachtsmann und der Teufel". Beide Stücke hatten großen Erfolg und wurden mehrmals aufgeführt.1967 spielte diese AG dann das letzte Stück "Augen auf -die Straße droht".

1968 trat für die Laienspielgruppe eine Veränderung auf, da Herr Garbe sich für drei Inszenierungen zurückzog und Herr Cranz bei zwei Stücken die Regie führte. Im November 1968 wurde "Der Menschenfeind" von Moliere gespielt, gefolgt im Oktober 1969 von "Biedermann und die Brandstifter" von Max Frisch. 1970 hat dann Herr Neddermeyer bei "Ein besserer Herr" von Walter Hasenclever die Leitung der Schauspielgruppe übernommen.

Das Parabel stück "Der gute Mensch von Sezuan" im September 1970 inszenierte wieder Herr Garbe, wobei ihm diesmal aus der Lehrerschaft nicht nur Herr Lackner in Bezug auf die Beleuchtung und das Bühnenbild aktiv zur Seite stand, sondern auch Herr Blohm, der sich für die Musik zuständig zeigte. Im Juni 1971 folgte mit "Nathan der Weise" von Lessing eine weitere Parabel in der Auswahl der Werke.

Im November 1972 wurde mit den "Schmutzige(n) Hände" von Sartre die nagelneue Aula eingeweiht, die den Luxus einer festen Bühne mit professioneller Lichtanlage bot. Das nächste Vorhaben der Gruppe war wieder ein Werk von Schiller: "Die Braut von Messina", was wieder einmal hohe Anforderungen an alle Mitwirkenden stellte, denn einfach war es nicht, dieses Trauerspiel mit Laien auf die Bühne zu bringen. Das geht auch aus einem Zeitungsartikel aus der Neuen Hannoverschen Zeitung hervor, der besagt, daß das Stück teilweise doch eher komödiantische Züge "beim Pathos mit quäkender Knabenstimme", "hinpolternden Leichen nach kurzem Pieksen mit dem Degen" und ähnlichem gehabt habe. Aber Theater soll ja schließlich auch Spaß machen. Auch hier zeigt sich, daß die Theater-AG seit langem immer wieder auf andere Arbeitsgemeinschaften der Schule zurückgreift und von diesen tatkräftige Unterstützung bekommt. Wieder war Herr Blohm mit dem Schulorchester für die musikalische Untermalung zuständig.

"Die Rundköpfe und die Spitzköpfe" von Brecht standen 1975 auf dem Programm. Dieses Drama umgeht eine Schwierigkeit bei der Auswahl der Stücke: es können nicht nur zwei bis drei Schauspieler in einem Werk für eine Schulauffiihrung vorkommen, denn möglichst viele sollen ja mitspielen können. Dadurch ist ein Kriterium fiir eine Entscheidung zu diesem Stück sicherlich erfüllt, aber wieder war damit ein hoher Anspruch an alle verbunden, besonders da in dieser Probenzeit mehrere durch Krankheit ausfielen und sich so die Proben verzögerten. Dieses Jahr war fur die Laienspielgruppe ein sehr arbeitsintensives mit gleich zwei Auffiihrungen. So wurde im November "Der Besuch der alten Dame" von Dürrenmatt gespielt.

Im Dezember 1976 hob sich der Vorhang ein letztes Mal mit Ibsens "Peer Gynt" fur die AG Laienspiel in dieser Zusammensetzung, denn Herr Garbe gab die Leitung auf. Seit 1972 existierte eine sogenannte Vorführungsgruppe, deren erste Ziele die Gymnastik mit Handgerät war. Sie wurde aber recht schnell zur Tanz-AG, die bei dieser Auffiihrung eine Trollszene unter der Leitung von Frau Beddermann mitgestaltete.

1978 fand sich wieder eine Gruppe zusammen, die es wagen wollte, "Andorra" von Max Frisch auf die Bühne zu bringen. Hierbei übernahm Herr Schulze die Leitung, womit dem Wunsch eines Jounalisten der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung entsprochen wurde, es möge sich doch ,jemand finden, der mit demselben Mut zum Risiko und demselben Vertrauen in die Begeisterungsfähigkeit der Schüler und des Publikums weiterzuarbeiten bereit ist", damit die Schauspieltradition am Gymnasium Großburgwedel nicht abbräche.

1980 erarbeitete nach zweijähriger Pause die Theatergruppe Burgwedel Borcherts "Draußen vor der Tür", diesmal mit zwei regiefiihrenden Lehrern, Herrn Dutschke und Herrn Reuper. Diese Inszenierung hat große Begeisterung hervorgerufen und wurde sogar im Ballhof bei dem Wettbewerb "Jugend spielt für Jugend" auf geführt. 1981 stand "Caliguia" von Camus auf dem Spielplan, doch leider war dies auch schon wieder das letzte Stück vor einer längeren Pause, in der die Existenz der Theater-AG auf Eis ge- legt war.

Ab 1987 zeigten sich im Gymnasium gleich mehrere Bestrebungen, die Tradition wieder aufleben zu lassen, die ein paar Jahre nebeneinander her liefen. Im Februar 1987 führte eine neugebildete Arbeitsgemeinschaft unter der Leitung von Herrn Grüne "Die Besessenen" von Dostojewskij auf. Sie bekam in Fragen des Bühnenbildes Unterstützung von Herrn Lackner, der bekanntlich auf eine beträchtliche Theatererfahrung zurückblicken konnte. Nicht genug damit, daß die Burgwedeler die Auffiihrung genießen konnten, eine kleine Tournee fuhrte die Theater-AG sogar bis nach Freiburg im Breisgau auf eine Universitätsbühne. Im gleichen Jahr führte die Mittelstufe mit Frau Käsebieter "Hänsel und Gretel" auf.

Im März 1988 wagte man sich an den "Faust I" von Goethe, wieder unter der Regie von Herrn Grüne. Im Mai des gleichen Jahres folgte dann Frau Käsebieter mit einer Inszenierung des "Trauschein" von Kishon. Ein drittes Theaterereignis bot in diesem Jahr noch der Englisch-LK von Frau Strelen, der "Bunbury" von Oscar Wilde auffiihrte. Doch damit war in diesem äußerst aktiven Jahr immer noch nicht genug, denn im April zeigte die Tanz-AG mit Frau Beddermann "Der kleine Prinz".

Im Frühjahr 1989 spielte die Theater-AG unter der Leitung Herrn Grünes "Der Revisor" von Gogol. Frau Käsebieter inszenierte mit der Mittelstufe den "Teufel von Salamanca" von F. Lope de Vega.

Seit April 1990 waren jedoch leider alle Aktivitäten außer der Theater-AG mit Herrn Grüne erlahmt und nur Shakespeares "Hamler" konnte einen Höhepunkt innerhalb der außerschulischen Angebote bilden. Regelmäßig jedes Jahr erschien jetzt wieder eine Auffiihrung, und die Theater-AG wurde zu einer festen Institution mit wechselnder Besetzung. Im April 1991 wurde Brechts "Leben des Galilei" (wieder mit einer Tanzszene) gespielt, im März 1992 gefolgt von "Die Physiker" von Dürrenmatt. Mit "Kabale und Liebe" stand im folgenden Jahr wieder ein Werk Schillers auf dem Spielplan.

Im Laufe der Jahre hat sich der Anspruch und die Arbeitsweise der Arbeitsgemeinschaft stark verändert: Wollte Herr Garbe die Werke so vorstellen und inszenieren, wie der Dichter selbst es getan hätte, so hat mittlerweile Herr Grüne einen ganz anderen Anspruch. Besonders das folgende Stück, "Der Belagerungszustand" von Camus, wurde im Publikum kontrovers diskutiert, da mit der Inszenierung von Herrn Grüne ein direkter Bezug auf das Dritte Reich hergestellt wurde, was viele Kritiker nicht nur sehr mutig, sondern auch als zu gewagt empfanden. Im März 1995 war wieder ein sehr schweres Stück von Dostojewskij auf dem Programm: "Der Idiot". Eine völlig neue Erfahrung für die gesamte Arbeitsgemeinschaft war dann im April 1996 das Lustspiel "Die Pension Schöller". Gelacht werden konnte und durfte nicht nur an den sehr deutlichen Stellen, sondern wurde auch ausgiebig beim Anblick einer brennenden Zigarre getan, die auf der Bühne still vor sich hinqualmte, als noch gar keiner der Schauspieler zu sehen war. Besondere Lacher gab es bei dem erstaunten Gesicht des späteren Rauchers, der spontan "hoppla, die brennt ja noch" sagte. Als dann in der gleichen Auffiihrung noch ein Türknauf nicht hielt, was er versprach, war die Heiterkeit vollkommen. In diesem Jahr gab es aber noch zwei andere erwähnenswerte Theaterstücke. Die Fachschaft Latein hatte am Gymnasium ihr 25-jähriges Jubiläum, was unter anderem mit einem Theaterstück von Plaustus, "Mostellaria", gefeiert wurde. Hierbei hat Frau Dr. Scholz die Regie geführt. Rechtzeitig zu Weihnachten hatte die Theater-AG ein weiteres Stück auf die Beine gestellt, und zwar "Scrooge -Ein Weihnachtsmärchen" nach Dickens.

Zur Feier des 50-jährigen Schuljubiläums soll in diesem November [1997, Anm. d. Red.]der "Faust I" von Goethe gespielt werden.

Theater zu spielen an sich scheint sich schnell zu einer Sucht ausweiten zu können und zieht schon mit dem zeitlichen Aufwand weite Kreise. So ist zum Beispiel die gesamte Familie Garbe, ebenso wie Familie Grüne ganz von der Theater-AG in Beschlag genommen worden, sei es nun, um für die Maske zuständig zu sein, oder sogar noch zusätzlich ftir die Kostüme wie es Frau Grüne seit vielen Jahren ist- viele gute Geister werden hinter der Bühne benötigt, damit ein Stück zum Leben erweckt wird.

Doch nicht nur in den Familien der Regisseure steht eine große Begeisterung hinter den Ideen der AG. Blättert man einmal die Programme durch, so entdeckt man, daß auch viele kleinere Geschwister in den Bann des Theaters gezogen worden sind und man über die Jahre ganze Geschwistergenerationen in der Theater-AG fmden kann.

Für einige Mitwirkende war das Schauspielern in der Schule sogar der Anstoß für die Entscheidung zu ihrem späteren Beruf. So hat zum Beispiel Ulrich Tukur, der am Hamburger Thalia Theater gespielt hat, seine Liebe zur Schauspielerei in Großburgwedel entdeckt. Peter Ries, der "Faust" aus der Inszenierung des "Urfaust" von 1962, ist Regisseur und Intendant geworden, ebenso wie Gerd Prothmann, der damalige "Mephistopheles". Von Dagmar Tass war schon in Verbindung mit ihrem Vater, dem Komponisten Eric Tass, die Rede. Man würde ihr jedoch Unrecht tun, sie als spätere Schauspielerin hier nicht auch noch einmal mit aufzuführen. Aus der Inszenierung des Jahres 1980, Borcherts "Draußen vor der Tür", sind unter anderen Sebastian Eckhart und Matthias Winkler besondes zu erwähnen. Ersterer hat im Max-Reinhardt-Seminar Schauspiel studiert, und letzterer hat in Großburgwedel sein Interesse an der Bühnenbildnerei erkennen und mit dem Entwurf des Bühnenbildes von "Caligula" testen können. Er studierte nach dem Schulabschluß Bühnenbild in Vancouver. Als letzter in dieser Reihe ist noch Simon Licht zu nennen, der beim "Faust I" (1988) den Faust selbst verkörpert hat und mittlerweile im Fernsehen zu bewundern ist.

Marie-Luise Leonhardt